(de) Der Kooperativenverbund von Mondrago'n

Manfred M Buesing (manfred.m.buesing@gmx.net)
Mon, 8 Dec 1997 15:17:58 +0100


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.--/\--. / / \ \ Die Oekonomie wird erst oekonomisch, ---|--/----\--|--- Die Demokratie wird erst demokratisch, \/ \/ Wenn die Oekonomie demokratisch wird. /\______/\

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Der folgende Text ist der Klappentext des meines Wissens nach ersten deutschsprachigen Buches, das sich mit dem Kooperativen- verbund von Modrago'n beschaeftigt. - Ein zweiter Band, der sich mit den theoretischen Grundlagen der kooperativen Oekonomie von Mondrago'n beschaeftigt, ist in Vorbereitung.

Das Buch wird in Kuerze komplett im WWW zu lesen, und als Word 5- Datei downzuloaden sein. - Natuerlich kann man es auch in gedruckter Form bei mir bestellen.

Kontakt zum Autor vermittle ich gerne.

Der Text dieser Nachricht ist, neben anderen Informationen zum Thema auch auf meiner Homepage unter http://mmb.home.pages.de abrufbar.

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Auf der Suche nach einer zukunftsfaehigen Wirtschaftsform:

Fundort Mondrago'n

Kooperatives Wirtschaftssystem - eine Region auf dem Weg aus der Zwei-Klassengesellschaft

von Hans Nerge

"Keiner soll Sklave oder Herr eines anderen sein."

Don Jose' Maria

Die Kleinstadt Mondrago'n, auf baskisch "Arrasate" genannt, liegt eingebettet in ein enges Tal im Norden Spaniens, umgeben von den steilen Huegeln und Bergen des Baskenlandes.

Im Mittelalter entstand in dieser Region eine besondere Tradition der "Bruederlichkeit", die auch heute noch die Lebensanschauung der Menschen bestimmt. Daraus hat sich eine Kultur des Gruppenlebens entwickelt, die sich in der auffallenden Faehigkeit der Basken zu Kooperation und Fairness zeigt. Demokratie, Selbstbestimmung und Solidaritaet sind heute stark verwurzelte Werte in dieser Gesellschaft.

Unter diesen Bedingungen ist seit Mitte dieses Jahrhunderts etwas Einzigartiges entstanden: ein prosperierendes Wirtschaftssystem auf der Grundlage von Demokratie und Kooperation. Seine Basis ist die enge regionale Zusammenarbeit einer groesseren Zahl von gemeinschaftlich organisierten Betrieben. Deren Kennzeichen sind der persoenliche Besitzanteil der einzelnen Mitglieder und das gleiche Stimmrecht aller in der Generalversammlung. Im Unterschied zu unseren Genossenschaften produzieren die Kooperativen jedoch vorwiegend Industriegueter - und sie machen Gewinne wie andere Unternehmen auch.

Durch ihre bisher unerreicht enge Vernetzung hat sich die Kooperativengemeinschaft vor den sozialoekonomischen Einwirkungen des sie umgebenden kapitalistischen Systems in gewissem Masse geschuetzt. Sie vollzieht daher eine relativ ungestoerte sozialoekonomische Entwicklung. Eine Entwicklung, die bisher ohne Beispiel ist und nicht vergleichbar mit dem, was wir von den Genossenschaften und selbstverwalteten Betrieben bei uns kennen.

Nicht geschuetzt hat sie sich jedoch vor dem freien Markt der konkurrierenden Produkte aus den kapitalistischen Betrieben. Die =46olge ist, dass die Kooperativen ebenso effizient produzieren wie ihre kapitalistischen Konkurrenten - oder sogar effizienter. Die =46olge ist aber auch, dass sie von rezessiven Entwicklungen der kapitalistischen Wirtschaft nicht verschont bleiben.

Das kooperative Wirtschaftssystem in der Region um Mondrago'n waechst stetig. Im Jahre 1995 war es bereits auf etwa 28 Tsd Mitglieder angewachsen. Es bestand zu diesem Zeitpunkt aus einem Netzwerk von ca. 100 Betrieben verschiedener Branchen, von denen der groesste mehr als 2000 Beschaeftigte hat. Ausserdem gab es bereits einige Fabrikationsstaetten, Niederlassungen und Verkaufsbueros in Nord- und Suedamerika, Afrika, Fernost und Europa. Der Umsatz aller Betriebe lag in diesem Jahr bei 4,7 Mrd US-Dollar, das gesamte Anlagevermoegen betrug etwa 10 Mrd US-Dollar.

Die Fabriken produzieren eine breite Palette von Erzeugnissen auf hohem technischen Niveau, das qualifizierte Arbeitskraefte erfordert. Die Produktpalette beinhaltet elektronische Komponenten fuer die Fernseh- und Automationstechnik, Werkzeugmaschinen fuer die Metall-, Kunststoff- und Holzbearbeitung, Industrieausruestungen wie Roboter fuer die Montage, Transferstrassen fuer den Automobilbau, Eisenbahnwaggons, Rolltreppen, Aufzuege, Klimaanlagen, und Haushaltgeraete wie Mikrowellenherde, Gefrierschraenke, Spuelmaschinen, Waschmaschinen und Waeschetrockner. Darueber hinaus gibt es Metallgiesserei-, Bau-, Schiffbau-, Agrar- und Konsumkooperativen. Ein erheblicher Teil der Industrieprodukte wird in die hochindustrialisierten Laender exportiert.

Dieses Buch beschreibt u.a. die besonderen Staerken der kooperativen Oekonomie:

- Das sind aus der Sicht der Arbeitenden:

* die Sicherheit der Beschaeftigung, * die relativ egalitaere Einkommensverteilung, * die volle Teilhabe am Eigentum des Produktivvermoegens, * die gleichberechtigte Teilnahme an den betrieblichen Entscheidungen * und der kooperative Geist unter den Arbeitenden.

- Das sind aus der Sicht der Oekonomen:

* die hohe Produktivitaet, * die Dynamik, * die Transparenz, * die effektive Kontrolle des Managements durch die Werktaetigen und * die straffe Entscheidungsstruktur der Betriebe und ihrer Vernetzung.

- Das sind aus der Sicht der Kunden und Verbraucher:

* die entsprechend ihrem Gebrauchsziel technisch, oekologisch bzw. biologisch hohe Qualitaet der Produkte. Hierfuer haben die Kooperativen mehrere internationale Auszeichnungen erhalten.

Ein Grundsatz der Kooperativen heisst, 10% des Gewinns werden fuer gemeinnuetzige Zwecke ausgegeben. Die Mitglieder betrachten den erzielten Gewinn ihres Unternehmens nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Wohle aller. Ein weiterer Grundsatz heisst, es duerfen hoechstens 10% der Belegschaft abhaengig Beschaeftigte sein. So kann der Gruppenegoismus der Teilhaber, wie er von manchen unserer Mitarbeitergesellschaften her bekannt ist, nicht entstehen.

Wenn moeglich wird die Produktion in Gruppenarbeit ausgefuehrt. Die Arbeitsgruppen kommen ohne hierarchische Struktur aus, sie bestimmen ihre Aufgabenteilung und Arbeitsablaeufe selbst und sind fuer das Ergebnis ihrer Arbeit auch selbst verantwortlich. Voraussetzung fuer die hierarchiefreie Gruppenarbeit ist jedoch die entwickelte Faehigkeit der Arbeitenden zur Kooperation. Die kooperative Arbeitsweise erscheint in den Augen des westlichen Unternehmers als "schlanke" Produktionsweise.

Die unter diesen Bedingungen moegliche relativ egalitaere Einkommensverteilung - das Verhaeltnis der groessten Einkommen zu den kleinsten soll 3:1 nicht ueberschreiten - ist ein weiterer Konkurrenzvorteil gegenueber den kapitalistischen Unternehmen, denn ueberhoehte Managergehaelter werden nicht gezahlt. Darueber hinaus beziehen die Kooperativen einen Teil ihrer oekonomischen Staerke aus der Tatsache, dass die erwirtschafteten Gewinne von den Mitgliedern in der Regel nicht abgezogen, sondern groesstenteils fuer Investitionen weiter zur Verfuegung gestellt werden.

Die Kooperation unter den Arbeitenden findet ihre Ergaenzung in der engen Zusammenarbeit der Betriebe untereinander, der sogenannten Interkooperation. Sie findet statt innerhalb der Kooperativ-Komplexe, welche branchennahe Betriebe miteinander verbinden, und darueber hinaus innerhalb des gesamten Kooperativ-Verbundes.

Der Kooperativ-Verbund bildet das tragende Geruest des kooperativen Wirtschaftssystems. Seine Netzstruktur verbindet die Flexibilitaet des mittelstaendischen Unternehmens mit der Stabilitaet des Grossbetriebes und bietet daher eine relativ sichere Zukunftsperspektive. Die eigene Kreditkooperative, die eigene Kooperative fuer Sozialversicherung und die eigenen Ausbildungsstaetten bieten die Voraussetzungen fuer eine relativ ungestoerte Verwirklichung der kooperativen Grundsaetze. Das polytechnische Ausbildungszentrum und das Trainingszentrum fuer Management bieten den juengeren Menschen die Moeglichkeit, kooperatives Denken und Handeln zu erproben.

Die oekonomischen Vorteile des Prinzips "Kooperation" zeigen sich bei der gegenseitigen Unterstuetzung der Kooperativen und im Assoziationsvertrag zwischen ihnen und der Kooperativbank. Sie zeigen sich auch in der engen Zusammenarbeit der Industriebetriebe mit dem kooperativen Zentrum fuer technische =46orschung und Entwicklung und mit der Kooperative fuer Unternehmensberatung.

Die Verbreitung des kooperativen Bewusstseins in der Bevoelkerung zeigt sich darin, dass ein grosser Teil der Buerger sein Konto bei der Kreditkooperative unterhaelt. Hierdurch wird die Kooperativengemeinschaft vom kapitalistischen Finanzsystem unabhaengig. Dies ist eine wichtige Voraussetzung fuer ihre eigenstaendige Entwicklung.

Die Grundlage des wirtschaftlichen Erfolges der Kooperativen ist die Verantwortungsbereitschaft ihrer Mitglieder. Sie beruht neben dem Eigentum am Betrieb insbesondere auf den menschenwuerdigen Arbeitsbedingungen, dem freien Zugang zu allen betrieblichen Informationen, der als gerecht empfundenen Bezahlung, der offenen Diskussion aller Probleme und der Transparenz der Entscheidungsvorgaenge. Eine weitere Grundlage des Erfolges ist der kooperative Geist und die ungewoehnliche Kooperationsfaehigkeit der Basken. Diese muessen wir erst noch erlernen.

In Mondrago'n sind Kapital und Arbeit in einer Hand. Hier gibt es nicht die Spaltung der Gesellschaft in Arbeitende und Besitzende. Hier ist das Kapital ein Instrument, das der Arbeit dient. Seine Hauptaufgabe ist die Entwicklung des Betriebes. Seine Rendite ist begrenzt und nicht an den Gewinn des Betriebes gekoppelt. Es ist Vorsorge getroffen, dass es sich nicht in den Haenden weniger konzentrieren kann.

Dies konnte durch die Initiative des jungen Priesters Don Jose' Maria mit tatkraeftiger Unterstuetzung der Bevoelkerung unter den ungeschuetzten Konkurrenzbedingungen der kapitalistischen Marktwirtschaft erreicht werden.

Die Oekonomie wird erst oekonomisch, die Demokratie wird erst demokratisch, wenn die Oekonomie demokratisch wird.

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Inhalt

1. Einleitung

2. Die Kooperativen 2.1. Die Industriebetriebe 2.2. Die Kooperativbank 2.3. Die Ausbildungseinrichtungen 2.4. Das Zentrum fuer Forschung und Entwicklung 2.5. Die Kooperative fuer Sozialversicherung 2.6. Die Bedeutung der unterstuetzenden Struktur

3. Die Entwicklungsgeschichte der kooperativen Oekonomie 3.1. Der Anfang mit Hilfe der Buerger 3.2. Die Ausbreitung in die Region

4. Die Organisationsstruktur der kooperativen Oekonomie 4.1. Die innerbetriebliche Struktur 4.2. Das Netzwerk der Kooperativen

5. Die Politik der kooperativen Oekonomie 5.1. Der kooperative Geist 5.2. Die Aussenpolitik 5.3. Die Innenpolitik

6. Die Staerken der kooperativen Oekonomie 6.1. Sicherheit der Beschaeftigung 6.2. Produktivitaet 6.3. Effizienz 6.4. Dynamik 6.5. Arbeitsklima 6.6. Schlanke Produktionsweise

7. Die Probleme der kooperativen Oekonomie 7.1. Finanzprobleme 7.2. Loesungsvorschlaege

8. Die Probleme der selbstverwalteten Betriebe in den kapitalistischen Laendern

9. Zusammenfassung

10. Verbreitungschancen der kooperativen Oekonomie

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