wE,`D@hYBAi0D||LS@V[5]Y=+!.IVWfG%<[=y>@~WyzN#"3[@Y6DgeOM4]NtfE"*3"fBc{b lC`F)4u22Tvgw.#B&Amk@B'7_>YCw*I]@PiH>dmCYNQvxzPYz+z:=m(nygZQGB~AFjfqp7yBPgl;p{ *kY8unets]mvz]>Nyu=%=~i74&-]x'n8.h~'%4{|2<g~#?U(uw"(3Rx<4,a> Y32R*M; ?zbA4A'6:=t q}3JXz Mime-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=iso-8859-1 Content-Transfer-Encoding: 8bit Date: Sat, 11 Oct 1997 15:03:44 +0200 Sender: freddy@point8.nadir.org X-Clerk-Orig-To: a-infos@tao.ca X-Clerk-Orig-CC: freddy@mail.nadir.org X-Clerk-Received-Via: a-infos@tao.ca
Anmerkung
Folgende Erklärung wurde am 25. Juni von Massimo Passamani (der am 17.9.1996 von Interpol in Paris verhaftet worden war) vor der pariser Chambre d'accusation abgegeben, die zu entscheiden hat, ob er an die italienischen Behörden ausgeliefert werden soll. Angeklagt ist er des Waffenschmuggels und der zugehörigkeit zur »O.R.A.I«, eine von der italienischen Justiz konstruierte anarchistische terroristische Vereinigung, der viele unaufgeklärte Verbrechen der letzten Jahre angehängt wurden, unter anderem Raubüberfälle, Entführungen, illegaler Waffenbesitz und -Schmuggel, sogar Sprengstoffanschläge, z.B. der Anschlag in Mailand am 25. April 1997, dem »Tag der Befreiung« vom Faschismus. Am 25. Juni beschloß die Chambre d'accusation mehr Material von den italienischen Behörden bezüglich dieser Anklage zu verlangen, die Frist ist ergebnislos am 1. Oktober abgelaufen. Die Entgültige Entscheidung - ob Massimo ausgeliefert wird oder auf französischen Boden freigelassen wird - wird am 15 Oktober fallen.
Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß der italienische Staat versucht, die anarchistische Szene mit einem §129/§129a-Verfahren zu spalten und zu zerschlagen. Einige Anarchistische Gruppen (namentlich u.a. die FAI, die Anarchistische Föderation Italiens) haben sich auf einer gewissen Ebene auf das Spielchen des Richters Marini (der »Vater« des Konstruktes) eingelassen, indem sie sich sowohl vom juristischen Konstrukt, aber auch von den betroffenen AnarchistInnen distanziert haben, und sich somit öffentlich entsolidarisiert haben.
Am 20.10. beginnt der Prozess gegen die 19 Angeklagten in dem Bunkergerichtssaal von Rebibbia.
Solidarität ist eine Waffe! Weg mit den §129 und §129a StGB - Weg mit den §270 und §270bis!
---ERKLÄRUNG VOR DER »CHAMBRE D'ACCUSATION« AM 25 JUNI 1997
Was ich zu sagen habe ist, daß die italienische Justiz mich ausschließlich aus dem Grunde verfolgt, daß ich Anarchist bin. Ich werde wegen einer Sache angeklagt, die aus prinzipiellen und faktischen Gründen nichts mit mir zu tun hat. Die prinzipiellen Gründe: eine geheime bewaffnete Bande, mit einem Chef, einer Hierarchie, einer Verteilung der Aufgaben und eine militärische Organisationsstruktur ist unvereinbar mit dem Anarchismus; als Anarchist bin ich, und werde ich, immer gegen jede Hierarchie und jegliche Befehlsgewalt sein, selbst wenn diese sich als revolutionär bezeichnet, fälschlicherweise revolutionär. Die faktischen Gründe: Es gibt keine eindeutige Anklage gegen mich, sondern nur die erdachte Zugehörigkeit zu einer »bewaffneten Bande«, welche es nicht gibt. Aus Mangel an Tatsachen mußte mensch mir eine Aufgabe zuweisen - keine »Bande« ohne Aufgabenverteilung - woraufhin die Lächerlichkeit erreicht wurde, mir die Kasse der »Organisation« anzuvertrauen - auf der Basis eines den Bedürfnissen entsprechend zurechtgeschnittenen Briefes, womit die Zahl der angeblichen »Kassenwarte« auf drei steigt. Wenn wir die Anklage wegen »bewaffneter Bande« wegnehmen - eine Anklage, die nicht nur in meinem Fall falsch ist, sondern in den Fällen aller AnarchistInnen die mit mir angeklagt sind - bleiben nur noch die Fakten; nun gut, die italienische Justiz hat gegen mich nichts in der Hand außer einer Sache: ich bin Anarchist. Das alles erinnert insbesondere an die Situation von Joseph K. im Prozeß von Kafka: der Angeklagte kann sich nicht verteidigen, weil es keine konkreten Vorwürfe gegen ihn gibt. Aber die beste Methode um - zumindest in der Logik - diese juristische Konstruktion auseinanderzunehmen, ist die, den ErmittlerInnen selbst zu folgen. Wenn wir als Beispiel die Definition nehmen, die das italienische Strafgesetzbuch von »subversiver Vereinigung« und subversiver Vereinigung mit terroristischen Zielen« (art. 270 und 270bis (1)) gibt nehmen, finden wir dort die perfekteste Negation der Vereinigung unter AnarchistInnen; Das Gesetz spricht nämlich von einer »von den einzelnen Teilnehmern formell getrennten Vereinigung«, also das, was eine Vereinigung ausmacht, die jenseits ihrer MitgliederInnen bestimmt und gefestigt ist: Die Vereinigung ist Sinn und Zweck, die Individuen Nebensache. Für mich ist dagegen das Individuum - als kleinste Einheit - das Zentrum, der Zusammenschluß nur die Methode, der Anlaß, folglich niemals eine Bindung, ein Ziel für das mensch sich opfern soll, ein abstraktes Kollektiv dem mensch Gehorsam schwören soll. Ich bin ein Rebell der die eigenen GenossInnen auf der Basis der Affinität findet, sprich des Unterschiedes, und diesen schließt mensch sich ohne Fahnen und ohne Programme an, die von anderen festgelegt wurden. Mich und meine möglichen GenossInnen schließen die gegenseitige Bekanntheit zusammen, die Sympathien und die Umstände der Kämpfe. In den Kämpfen entstehen und lösen sich die Zusammenschlüsse, ohne der Suche nach einem Konsens der Marschrichtung um die Reihen einer Organisation, einer Bande oder einer Partei zu füllen.
Das bedeuten Wörter wie »Affinitätsgruppe« oder »informelle Organisation«. Und deshalb fanden sich die ErmittlerInnen ohne ein Kürzel - welches es auch sei - um die wichtigste Hypothese zu rechtfertigen, die der geheimen politischen und militärischen Struktur, eine »von den einzelnen Teilnehmern formell getrennte Vereinigung«. So waren sie gezwungen als Namen für die angebliche »bewaffnete Bande« eine Zwischenüberschrift aus einem Artikel zu nehmen (Nuove svolte del capitalismo(2), von A. M. Bonanno), der in einer anarchistischen Zeitschrift publiziert wurde, die - wie immer - in der Öffentlichkeit verbreitet wurde. Lassen wir jetzt außer Acht, daß dieser Artikel - der als die programmatische Basis der »Organisation« gehalten wird, also ihr Anfang - zwei Jahre nach dem Fund jener Waffen geschrieben wurde, die von Seiten der ErmittlerInnen der »Organisation« zugerechnet werden; Lassen wir ebenso außer Acht das dieser Artikel als Anlaß diente, im Januar 1993 in verschiedenen griechischen Universitäten Konferenzen zu veranstalten (Konferenzen deren Existenz verleumdet werden mußte um die Anklage aufrecht zu erhalten); lassen wir außerdem außer Acht, das dieser Artikel nur die Ideen des Autors darlegt, den vor allem die Idee der kollektiven Verantwortung anwidert - da einE JedeR, für die AnarchistInnen, selbst verantwortlich ist für die eigenen Taten und Aussagen; lassen wir außer Acht, das die Justiz einen Genossen anklagt - was nach einer waschechten Beleidigung klingt - ein Anführer zu sein, wo dieser doch den Kampf gegen alle Chefs und Anführer zur täglichen Lebenspraxis gemacht hat; was ungeachtet alledem anzumerken wäre, ist, das dieser Text an sich die deutlichste Negation der These der »bewaffneten Bande« ist. In diesem wird, in der Tat, nicht nur verdeutlicht daß die »Organizzazione rivoluzionaria anarchica insurrezionale«(3) eine Methode des Kampfes ist, und nicht eine spezifische Struktur (was dem gleichkommen würde wenn wir, als Beispiel, die »Vertiefung der anarchistischen Theorie« als eine angebliche verbotene Gruppierung bezeichnen würden), sondern mensch kann noch folgendes lesen:
»Die Affinitätsgruppen können ihrerseits zum Aufbau von Basiszellen beitragen. Zweck dieser Strukturen ist die Ablösung der alten syndikalistischen Widerstandsorganisationen -auch die, die auf die anarchosyndikalistische Ideologie bestehen - im Bereich der Tageskämpfe. Das Aktionsfeld der Basiszellen besteht folglich aus den Fabriken, oder das was davon noch übrig ist, den Stadtteilen, den Schulen, den sozialen Ghettos und all den Orten wo sich die Ausstoßung aus der Gesellschaftsschicht und die Trennung zwischen Ausgeschlossenen und Teilhabenden vergegenständlicht.« »Jede Basiszelle entsteht fast immer aus der antreibenden Aktion der aufständischen AnarchistInnen heraus, sie besteht aber nicht nur aus AnarchistInnen. Sie wird von der Vollversammlung bestimmt, auf der die AnarchistInnen ihre Aufgabe des Antriebs gegen die Ziele des Klassenfeindes maximal entwickeln müssen.[...]« »Das Aktionsfeld der Affinitätsgruppen und Basiszellen sind die Massenkämpfe.«
Nun bedarf es wirklich der rethorischen Fähigkeiten des großen Gorgia um zu zeigen, daß die Einheiten einer »bewaffneten Bande« (welche, den ErmittlerInnen zufolge, die Basiszellen sein sollen) die syndikalistischen Organisationen in den Stadtteilen, Schulen und Fabriken ersetzen könnten. Hat mensch jemals eine »bewaffnete Bande« gesehen, die für StudentInnen, ArbeiterInnen und Ausgebeutete offen war? Diese wenigen Zeilen würden reichen um zu verdeutlichen, daß der einzige wirkliche Theoretiker der »O.R.A.I.«(3) der Richter Marini ist. So läßt sich auch die Notwendigkeit erklären, auf die Aussage einer entsprechend dressierten »Pentita«(4) zurückgreifen zu müssen um die Existenz der »Organisation« zu untermauern. Der Grund für diese juristische Konstruktion ist schnell gesagt: so viele AnarchistInnen wie möglich so lange wie möglich aus dem Verkehr ziehen. Der Vorwurf der »bewaffneten Bande« erlaubt es, Jahre über Jahre zu verteilen ohne das es genaue Anklagepunkte gibt. Das ist es, warum gegen mich ein Haftbefehl mit dieser Anschuldigung vorliegt, das ist es warum meine GenossInnen in Italien im Knast sind. Um abzuschließen möchte ich festhalten daß, angesichts der Repression, viele AnarchistInnen - und ich mit ihnen - nicht gesagt haben: »Es ist alles ein Fehler, wir sind brave BürgerInnen, wir sind die Opfer eines Konstruktes, wir respektieren die demokratische Ordnung, wir sind keine Revolutionäre«. Nein, die Antwort war die, daß eine »bewaffnete Bande« zu wenig ist, wenn es eine ganze Welt gibt, die revolutioniert werden muß; eine jämmerliche Sache, die »bewaffnete Bande«, die nichts anderes tun würde, als unseren Wunsch nach Veränderungen zu begrenzen. Um gegen die Politik, die aus Menschen Sklaven macht und gegen die Wirtschaft, die den Planeten zerstört, zu kämpfen, bedarf es keiner anderen Chefs und anderer Hierarchien. Das, was den Staat erschrickt ist, das es noch Männer und Frauen gibt, die - ohne ihrerseits die Herrschaft zu beanspruchen - die Armen zur Revolte bringen, die Ausgebeuteten, die Ausgeschlossenen, also insgesamt all diejenigen, denen die bestehende soziale Ordnung nur Misere und Verrohung bringt. Indem wir in Soldaten einer Organisation verwandelt werden, würden sie uns am liebsten - noch vor dem Knast - in den politischen Rahmen des Kampfes um die Macht einsperren, um so den Skandal zu vermeiden den JedeR AnarchistIn für die Autorität darstellt: Die Idee das mensch sich gegen sie auflehnen könnte ohne sie ersetzen zu wollen. Aber die Möglichkeit der Rebellion ist nicht zu vermeiden, auch nicht wenn mensch die Karten zinkt. In dieser verkehrten Welt sind die Menschenvon den Waren dominiert, ist das Leben im Dienste der Arbeit, heißt die Sklaverei Freiheit, nennt sich der Krieg humanitäre Intervention, heißt das Gift Essen, ein beliebiger Marini ist der Verteidiger der Freiheit, ist ein Anarchist ein »Terrorist«. Es wir immer so sein, bis mensch diese Welt umkrempeln wird. Ich nenne Euch mein Vergehen: Ich bin Anarchist, ein Individuum, daß weder befehlen noch gehorchen will. Ich habe einen Traum in meinem Herzen und ich habe meine Ideen nicht in die Karriere investiert.
Massimi Passamani
--- Anmerkungen: (1) Diese entsprechen den Paragraphen des deutschen STGB §129 (kriminelle Vereinigung) und 129a (terroristische vereinigung) - A.d.Ü. (2) Neue Wenden im Kapitalismus - A.d.Ü. (3) Revolutionäre aufständische anarchistische Organisation - A.d.Ü. (4) Reuhige Kronzeugin - A.d.Ü.
****** A-Infos News Service ***** News about and of interest to anarchists
Subscribe -> email MAJORDOMO@TAO.CA with the message SUBSCRIBE A-INFOS Info -> http://www.tao.ca/ainfos/ Reproduce -> please include this section